Diagnose: Ausgezeichneter Fußball(er)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jörg Schmidtke ist mittlerweile zu einer festen Größe im Amputierten-Fußball geworden: als erster Amputierten-Fußballer in Deutschland erhielt er für den Sport eine Auszeichnung und wurde 2020 zum Sportler des Jahres im Hochtaunuskreis gewählt. Doch es ist ihm auch wichtig, seine Erfahrung weiterzugeben. Beim ersten Inklusionscamp für Jugendliche mit und ohne Handicap im Amputierten-Fußball war er zusammen mit einem Mitspieler betreuend tätig. Aufgrund der regen Teilnahme soll das Camp nun mit Unterstützung des Hitradio FFH, der FFH Fußballschule, dem FSV Frankfurt und dem Hessischen Behinderten- und Rehasportverband (HBRS) jedes Jahr durchgeführt werden. Im Interview erzählt uns Jörg von seinen Anfängen im Amputierten-Fußball und der Zeit nach seinem Unfall.

 

Hallo Jörg, danke, dass Du Zeit für uns und unsere Fragen hast. Vor einigen Jahren hattest Du einen Motorradunfall. Was genau ist passiert?

 

Jörg Schmidtke: Der Unfall an sich war im Oktober 2013: ich war auf der Arbeit, der letzte sonnige Tag – immer noch schön zum Motorrad fahren. Ich wohne in Bad Homburg, direkt am Taunus. Das ideale Gelände zum Motorrad fahren. An diesem Tag hatte ich einen Bürotag, wir haben mit unseren Entwicklern eine Software getestet und ich hatte mir vorgenommen, pünktlich gegen 15.30 Uhr Feierabend zu machen und dann rechts raus in den Taunus zu fahren. Abends sollte das Motorrad winterfest in die Garage gestellt werden. Nun kam es so, dass wir an diesem Tag leider Überstunden machen mussten und ich erst um 18 Uhr aus der Firma rauskam. Zum Motorrad fahren hat es sich nicht mehr gelohnt, sodass ich statt rechts in den Taunus, links raus nach Hause gefahren bin. An einem Kreuzungs-T-Stück – ich war auf der Vorfahrtsstraße – standen mir gegenüber Linksabbieger. Kurz vor meinem Kreuzungsbereich hat die Dame, die mittig auf der Kreuzung stand, Gas gegeben und mich voll erwischt. Daher ist die ganze linke Seite von mir betroffen. Ich bin bei dem Unfall auch ein gutes Stück geflogen, bestimmt 30 Meter.

 

Nach dem Unfall bist Du etliche Male operiert und amputiert worden. Wo lagen die Schwierigkeiten aus medizinischer Sicht?

 

Jörg Schmidtke: Es waren wirklich einige Male. Im Januar 2021 hatte ich die 24. Operation. Im Endeffekt hatte ich vier Baustellen: ich hatte vier Wirbelbrüche, die mit einem Fixateur gefixt wurden. Der Fixateur ist immer noch drin. Durch den habe ich schon Einschränkungen. Aber ich möchte nicht, dass der Rücken noch einmal geöffnet wird. Ich lasse mir da ungern „herumbasteln“. Hier und da bin ich in der Kopfbewegung eingeschränkt. Die zweite kleinere Baustelle ist die linke Schulter gewesen: ich hatte eine Tuberculum majus-Fraktur und die Rotatorenmanschette war angerissen. Vier Monate lang konnte ich nur den Unterarm bewegen, aber die Schulter wurde nicht operativ versorgt. Das merke ich heute noch: den Arm kann ich z.B. nicht vollständig hochnehmen. Seit eineinhalb Jahren hat sich dort auch eine aktivierte Arthrose gebildet. Im Schultereckgelenk blockieren sich die Knochen gegenseitig, aber da gehen wir auch noch operativ dran. Die Amputation ist eigentlich die kleinste Baustelle von allen, aber es war langwierig. Die vierte Baustelle, die mich immer noch beschäftigt, ist mein Knie.

 

Eine Amputation klingt für mich nicht unbedingt wie eine „kleine Baustelle“.

 

Jörg Schmidtke: Nach dem Unfall war mein Vorfuß komplett weg. Der wurde durch den Unfall abgeschnitten, vermutlich durch den Kotflügel. Ich lag zwei Tage im künstlichen Koma, die erste Nacht wurde ich nur operiert – acht Stunden lang, glaube ich. Die Amputation hat sich insgesamt über drei Jahre hingezogen. In der Regel hatte ich alle zwei Tage eine Operation, wobei man immer weiter Gewebe vom Fuß abgetragen hat. Irgendwann waren wir am Sprunggelenk angekommen, das war dann auch irgendwann weg. Ich hatte dadurch einen sehr langen Unterschenkelstumpf. Hinzu kamen Bakterien am Stumpf, sodass ich auch noch vier Wochen auf einer septischen Station war. Als die Bakterien weg waren, hat man mir eine Ferse gebildet. Solange ist man aber nicht an das Knie gegangen. Drei Jahre lang hatte ich einen sehr langen Unterschenkelstumpf, der prothetisch kaum versorgt werden kann. Erst dann bin ich höher amputiert worden, sodass ich eine ganz normale Unterschenkelprothese tragen kann. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wenn man direkt hoch amputiert und sich dann direkt um das Knie gekümmert hätte, ich heute nicht immer noch diese Probleme damit hätte.

Ein längerer Arbeitstag als geplant und schon sind die tollen Pläne dahin. Statt mit dem Motorrad noch eine größere Runde zu drehen, fährt Jörg Schmidtke nach Hause. Auf dem Weg dorthin hat er einen Unfall, dessen Folgen ihn bis heute begleiten. Jörg ist seit dem Unfall nicht nur unterschenkelamputiert, sondern hat auch eine aktivierte Arthrose in der Schulter, einen Fixateur im Rücken und Platten und Schrauben im Knie. Letzteres ist bis heute nicht verheilt. Bei einer Amputation des Unterschenkels muss es das Ziel sein, dass der verbleibende Tibia-Stumpf (ein sehr kurzer Stumpf würde noch rund fünf Zentimeter lang sein) bestmöglich prothetisch versorgt werden kann. Der Stumpf soll dabei schmerzfrei und das Knie noch frei beweglich sein. Bei sehr langen Stümpfen kommt es in rund 20 Prozent der Fällen zu Wundheilungsstörungen, sodass operative Korrekturen notwendig sind.

Als „Arthrose“ wird eine degenerative Veränderung eines Gelenks bezeichnet. Wenn ein Gelenk, das bereits von einer Arthrose betroffen ist, vermehrt belastet wird und es dadurch zu Entzündungszeichen kommt, liegt eine aktivierte Arthrose vor. Diese tritt in Schüben auf, da die Entzündung immer wieder medikamentös eingedämmt werden kann.

 

Du hast die Problematik mit Deinem Knie jetzt schon mehrfach angesprochen. Wo ist das Problem bei Deinem Knie?

 

Jörg Schmidtke: Beim Unfall waren auch der Oberschenkel und das Knie links komplett zertrümmert. Im Prinzip kam der Röhrenknochen aus dem Knie heraus, den man nur wieder hereingezogen und ihn über einen externen Fixateur fixiert hat. Drei Monate nach dem Unfall ist das Knie richtig versorgt worden. Bis dahin hatten sich die ganzen Frakturstücke aber schon in sich verheilt, wobei sie aber gar nicht zusammengewachsen sind. Bis heute habe ich Platten und Verschraubungen im Knie, die Probleme machen. Die Femurrolle ist in ganz viele kleine Stücke aufgeteilt. Medial ist eine Platte drin. Durch die ehemaligen Femurkondylen gehen die Schrauben. Dass das nicht vernünftig passt, ist auch klar. Drei Verschraubungen sind auf der anderen Seite des Knochens herausgekommen, ich vermute aufgrund des Drucks durch die Prothese. Die Schraubenspitzen stehen aus dem Knochen heraus.

Darüber ist aber seitlich das Nerven- und Sehnenband und die Prothese. Die Operation, um das zu richten, war im Januar. In einem Tonus von drei, vier Wochen hat sich im Knie ein Erguss gebildet und dann kann ich mehrere Wochen lang keine Prothese tragen. Dazu kamen unfassbare Schmerzen zusätzlich zu den Schmerzen, die ich sowieso habe. Man kann das Knie auch künstlich nicht mehr richten. Ich war bei etlichen Spezialisten, die einstimmig sagen, dass man das mal versuchen könnte – aber ohne Garantie. Es gibt ja kein Fallback. Ich laufe jetzt mit dem Knie, das ich habe, solange es geht. Wenn es gar nicht mehr geht, muss das Knie auch ab. Ich spiele mit diesem Gedanken schon seit Jahren. Ich habe mal gute Tage, schmerztechnisch gesehen, aber primär schlechte Tage. Seit dreieinhalb Jahren laufe ich jetzt auf einer normalen Prothese. Ich bin aber froh, dass ich mein Knie erst einmal erhalten habe und nicht direkt – wie die Ärzte es sofort nach dem Unfall wollten – oberschenkelamputiert wurde. Sonst wäre mir in den letzten Jahren viel entgangen.

 

Du hast viele Erfahrungen mit ÄrztInnen gesammelt. Was möchtest Du daraus resultierend Medizinstudierenden gerne mitgeben?

 

Jörg Schmidtke: Es gibt einen Ethikkodex der Ärzte: sie schauen, dass sie so viel Gewebe erhalten wie möglich. Sie machen sich aber keine Gedanken darüber, ob es sinnvoll ist oder nicht, weil sie ihren Kodex befolgen. Vielleicht sollte man auf die Patienten eingehen? Ich bin im Jahr des Unfalls 40 Jahre alt gewesen. Ich war vorher sehr sportlich: Fußball, Basketball, 15-km-Läufe – ich war durchtrainiert. Den langen Stumpf, den ich am Anfang hatte, kann man prothetisch gar nicht anständig versorgen. Es gibt Prothesenfüße, mit denen man gehen kann – aber mehr eben auch nicht. Bis heute hat sich niemand mit mir über die Möglichkeiten unterhalten: es hieß immer nur von den Ärzten: „Das wird schon.“ Es gab keine Aufklärung zum Thema Prothetik. Ich habe mir alles selber angeeignet. Jetzt bin ich geistig fit, auch nach dem Unfall war ich es. Jetzt versetze ich mich in die Lage einer älteren Person – die werden alleine gelassen. Dort kommt mal eine Versicherung oder ein Flyer und das war es. Die Kliniken werben mit einem engmaschigen Netzwerk aus Orthopäden, Psychologen, Orthopädietechnikern und und und – bis heute hat so ein interdisziplinäres Gespräch nicht stattgefunden. Ich kenne viele, die genau das gleiche sagen. Dass der Unfall aber Auswirkungen auf mein Leben hat, wurde meines Erachtens von niemanden gesehen. Auf der anderen Seite lerne ich so natürlich viel. Heute bin ich richtig gut aufgestellt, aber ich bin eben geistig fit.

 

 

,,Ich bin positiv eingestellt, aber auch Realist."

~ Mit dieser gesunden Haltung bestreitet Jörg Schmidtke sein Leben.

 

 

Von wem hast Du denn die weiteren Informationen bekommen?

 

Jörg Schmidtke: Mir hat nie jemand gezeigt, welche Prothesen es gibt. Mich hat nie jemand gefragt, was ich vorher an Sport gemacht habe, um mir aufzuzeigen, was es jetzt noch für Möglichkeiten gibt, wie z. B. Amputierten-Fußball. Ich habe eine klasse Orthopädietechnik, aber erst durch die Jungs habe ich die Informationen bekommen. Als ich wieder fit war, habe ich der Klinik angeboten, ehrenamtlich eine Patientenaufklärung zu machen. Ich setze mich gerne freiwillig mit Amputierten zusammen oder gebe denen meine Adresse. Die Klinik hat das nicht gewollt. Das liegt aber auch an der Größe der Klinik, dennoch war ich enttäuscht darüber, dass das gar nicht gewollt war. Geht bitte mehr auf die Patienten ein! Ihr macht die Ausbildung, ihr werdet gut bezahlt. Ich arbeite selbst in der medizinischen Branche, bei Fresenius Medical Care – das ist ein großes Unternehmen, aber der Patient ist das höchste Gut – sonst gäbe es nie neue Lösungen. Die finanziellen Mittel sind da – die Ärzte werden gut bezahlt (die Pfleger leider nicht), aber warum kümmern sie sich nicht intensiver um die Patienten? Ein bisschen mehr Verständnis für den Patienten zeigen. Für mich gibt es kein größeres Lob, als wenn der Patient oder der Arzt glücklich ist. Das wünsche ich mir von Medizinstudierenden!

Da ist es an mir, an uns, das besser zu machen.

 

Jörg Schmidtke: Dabei wünsche ich Dir viel Glück. Ich glaube aber, dass ihr es gar nicht wirklich besser machen könnt. Das hat nichts mit euch als Person zu tun. Auch wenn ihr gewillt seid, wird euch gar nicht die Möglichkeit gegeben, um es besser zu machen: aus Kostengründen, aus Zeitgründen. Durch die Prothese muss ich in die Prothesensprechstunden zu einem Arzt, der auch Unfallchirurg ist – er ist echt klasse. Er würde sich gerne mehr für mich einsetzen, aber er hat gar keine Möglichkeiten dazu, weil durch mehr Patienten Druck ausgeübt wird oder die Krankenkassen wieder Forderungen stellen. Selbst wenn man sagt, dass man es besser machen und mehr Zeit für Patienten und ihre Geschichten aufbringen möchte, ist es schwierig überhaupt die Möglichkeiten dazu zu bekommen. Das liegt an unserem System.

 

Wer hat Dich wie bei Deinem Weg zurück in den Alltag unterstützt?

 

Jörg Schmidtke: Primär habe ich mir selber geholfen. Ich habe hier keine Familie mehr, ich komme auch nicht hier aus der Gegend. Meine Lebensgefährtin ist zu diesem Zeitpunkt aus dem Ausland gerade zu mir gezogen, was die ganze Sache auch noch erschwert hat. Sie hat mir damals sehr geholfen, was die praktischen Sachen anbelangt wie z. B. Erledigungen. Organisatorisch konnte sie mir gar nicht helfen. Unterstützung habe ich von meinem Arbeitgeber bekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich auch in der Firma sehr viel gemacht, man kennt mich. Alle hatten Anteilnahme. Sie stehen auch bis heute noch hinter mir, wobei andere Arbeitgeber sicherlich auch ähnlich reagieren. So musste ich mir auch finanziell keine Sorgen machen – in diesem Fall sowieso nicht, da es ein BG Unfall war. Da muss ich sarkastischer weise sagen, dass es zum Glück ein BG Unfall und nicht mein Verschulden war, wobei ich das nur bedingt als Vorteil sehe. Bis heute gibt es noch kein Schmerzensgeld. Die gegnerische Versicherung sträubt sich natürlich und das geht schon auf die Psyche, da ich für die Anwältin alles vorbereiten muss. Aber die BG steht bislang dahinter und da hat alles super geklappt.

 

Durch den Unfall hat sich Dein Leben verändert und die Folgen spürst Du noch immer. Welche Gedanken hast Du gegenüber Deiner Unfallgegnerin?

 

Jörg Schmidtke: Ich vermeide daran zu denken. Es kann jedem passieren, mir hätte das auch passieren können. Beim Autofahren kann man Motorradfahrer übersehen. In diesem Fall hätte man mich gar nicht übersehen können. Ich war laut, die anderen Autofahrer haben mich alle wahrgenommen. Nur meine Unfallgegnerin sagt, sie hätte mich nicht gesehen. Aber ein Verkehrsunfall kann passieren. Dass sie sich bis heute nur einmal gemeldet hat, das kann ich nicht verstehen. Darüber möchte ich gar nicht nachdenken. Wenn mir so etwas passiert wäre, würde ich versuchen, den anderen bestmöglich zu unterstützen und ihm zu helfen. Im Protokoll hat sie zugegeben, dass sie im Zeitdruck war. Seitdem hat sie mir einmal eine Karte geschickt. Darin stand: „Hallo Jörg, ich habe von meinem Anwalt gehört...“ Allein diesen Satz finde ich schon sehr traurig. Sie hätte alle Möglichkeiten gehabt, sich selbst bei mir zu erkundigen, wie es mir geht. Absolutes Unverständnis meinerseits.

 

Wie Du beschrieben hast, warst Du vor dem Unfall sehr sportlich unterwegs. Was ist jetzt noch möglich?

 

Jörg Schmidtke: Ich kann nicht wirklich Sport machen. Schwimmen ist z. B. nicht so einfach. Durch meine Rückengeschichte kann ich den Kopf nicht die ganze Zeit oben halten, da es mir sonst in den Nacken zieht. Ich habe zu viele Baustellen, um viel Sport zu machen. Selbst der Amputierten-Fußball mit den Krücken ist für mich schwierig, weil es mir in die Schulter zieht. Es gibt Tage oder Wochen, da merke ich das gar nicht, aber wenn die Entzündung da ist, ist es brutal. Während des Spielens merke ich das gar nicht, aber danach... Aber es macht mir einfach zu viel Spaß, deswegen will ich das auch unbedingt weitermachen. Das erkläre ich auch meinen Ärzten immer so (lacht). Wir sind mit dem Amputierten-Fußball auch einfach auf einem richtig gutem Weg und ich bin selbst dabei, den Amputierten-Fußball größer zu machen. In Hessen versuchen wir gerade Mannschaften zu gründen, es gibt nämlich noch keinen Amputierten-Fußball in Hessen. Wir haben sogar schon Vereine gefunden, die uns unterstützen und aufnehmen würden, wenn wir genügend amputierte Fußballer gefunden haben. Wir brauchen nur noch die Mitspieler (lacht).

 

Du bist im Amputierten-Fußball also sehr engagiert. Wie bist Du überhaupt zum Amputierten-Fußball gekommen?

 

Jörg Schmidtke: Das ist eine lustige Geschichte. Als ich noch den langen Stumpf hatte, habe ich mir überlegt, was ich machen könnte. Da bin ich auch auf Amputierten-Fußball gekommen und habe einen Bericht im Fernsehen gesehen. Aber ich fand, dass das kein Fußball ist (schmunzelt). Daher habe ich das zur Seite geschoben, da das nicht der Fußball ist, den ich mein Leben lang kenne und gespielt hatte. 2019 ruft mich ein Freund an, der auch amputiert ist und erzählt mir von einem Werbedreh der AOK, für den amputierte, sportliche Menschen gesucht wurden. Zeitlich passte es bei mir und so bin ich nach Heidelberg gefahren. In dem Spot sollte Amputierten-Fußball gezeigt werden, da die AOK das Projekt unterstützt. Da die amputierten Fußballer aber alle in Deutschland verteilt sind, konnte kaum jemand. Ich habe mich also dazu bereiterklärt. Zwei aktive Amputierten-Fußballer waren dabei, ein weiterer Spieler als Hauptdarsteller des Spots und

ich, der keine Ahnung vom Amputierten-Fußball hatte. Mir wurden die Grundlagen gezeigt. Glücklicherweise war ich früher Rechtsfuß und musste mich durch meine Amputation nicht umgewöhnen. Scheinbar habe ich mich nicht so schlecht angestellt und wurde dann nach Hoffenheim zum Training eingeladen. Dann bin ich einfach dabei geblieben.

 

Ich erlebe Dich als einen sehr positiven Menschen. Was für einen Tipp hast Du, damit auch wir positiv gestimmt durch das Leben gehen und mit Rückschlägen besser umgehen können?

 

Jörg Schmidtke: Ich glaube, es liegt viel an einem selbst. Ich bin positiv eingestellt, aber auch Realist. Man darf sich einfach nicht unterkriegen lassen. Für mich war es von Anfang an klar, aber für viele ist genau das schwierig: man muss die Situation erst einmal akzeptieren. Nur weil ich mich heulend in die Ecke setze, wächst mir mein Knie auch nicht nach. Es ist nun einmal so – es ist Fakt. Dann sollte man sich frühzeitig selbst mit der Problematik auseinandersetzen und nicht blind auf andere Menschen hören. Ich muss selber schauen, wie ich mein Leben auf die Reihe bekomme. Klar, habe ich auch schlechte Tage, wenn wieder alle Baustellen auf einmal zur Sprache kommen, aber ich werde deswegen nicht depressiv. Das sage ich auch anderen immer: sie sollen sich mit dem auseinandersetzen, was jetzt geht und das fördern. Eine schlechte Idee ist das, was ich am Anfang gemacht habe: den Amputierten-Fußball mit dem Fußball, den ich kannte, zu vergleichen. Das bringt gar nichts. Interessanter ist es, wenn man schaut, was ich noch in vielleicht anderer Form machen kann. Es geht anders, aber es geht. Ich muss ein Leben lang damit klarkommen, also muss ich schauen, dass ich das bestmöglich schaffe.

 

Das ist doch ein tolles Schlusswort. Danke!

 

Das Interview führte Katharina Tscheu.

Bildquelle: Taunus Zeitung

Bildquelle: Michael Schick

Jörg Schmidtke beim ersten Inklusionscamp.
Bildquelle: FFH, HBRS, FSV Frankfurt