Sport gehört für viele Menschen zum Alltag dazu – das gilt auch für Kim Cremer. Der dreifache Familienvater startete 2021 beim Berliner Halbmarathon und fiel zahlreichen ZuschauerInnen nicht nur durch seinen Bart auf: Kim ist unterschenkelamputiert. Bei einem Motorradunfall wurde sein linkes Sprunggelenk zertrümmert und es folgten etliche Operationen. Dabei wurde zunächst der große Zeh amputiert, später auch weitere Mittelfußknochen. Während eine Amputation des Zehs vergleichsweise geringere Auswirkungen auf das Gleichgewicht und das Gehen hat, verändert sich durch eine Amputation der Mittelfußknochen – der sogenannte „Strahl“ – die Standhaftigkeit erheblich. Es gibt daher auch Vorfußprothesen, die wie alle Prothesen passgenau auf jede Prothesenanwenderin und jeden Prothesenanwender zugeschnitten werden und das Gehen vereinfachen sowie schmerzfrei werden lassen sollen.
Heute ist Kim unterschenkelamputiert und sagt von sich, dass er heute fitter als vor der Amputation sei. Im Gespräch erklärt uns Kim daher nicht nur, wie es schlussendlich zur Unterschenkelamputation kam und wie eine gelungene Prothesenversorgung ablaufen sollte, sondern lässt uns auch an seinem Berliner Halbmarathon teilhaben.
Hallo Kim, besten Dank, dass Du Zeit für unsere Fragen hast. In Folge eines Motorradunfalls wurde Dein Unterschenkel amputiert. Die Amputation folgte aber nicht direkt nach dem Unfall, oder?
Kim Cremer: Ja genau. Ich wurde erst vier Jahre nach dem Unfall amputiert. In der Zeit davor war es so, dass es einen Arzt gab, der es gut mit mir meinte. Er war der Meinung, dass er den Fuß so hinbekommt, dass ich ihn irgendwie benutzen kann. Das endete aber in etlichen Operationen: vom Unterarm wurde Haut an den Fuß verpflanzt. Um den Unterarm zu schließen, wurde wiederum Haut und Fettgewebe aus der Leiste genommen. Diese Wunde wurde mit Deckungshaut vom Oberschenkel geschlossen – es war eine einzige „Frickelei“. Das Resultat bestand schließlich darin, dass das Sprunggelenk durch das lange Liegen verknöcherte und sich die Wunden infizierten. So musste zunächst der große Zeh und schließlich der gesamte erste Knochenstrahl amputiert werden. Dadurch wurde der Fuß insgesamt schief, sodass ich nur noch auf Teilen des Fußes lief, die eigentlich nicht mehr belastbar waren. Das machte ich vier Jahre noch mit: fast täglich hatte ich Physiotherapie, bei der ich auch in den Schmerz arbeitet. Das Ziel war immer, den Fuß wieder zu mobilisieren. Irgendwann ging es nicht mehr und ich entschloss mich, Menschen kennenzulernen, die ohne Unterschenkel leben. Es gab auch die Option, nur bis zur Ferse zu amputieren. Allerdings gibt es dabei viele Menschen, die sich später nachamputieren lassen. Es gibt auch wenige SportlerInnen, die unterhalb der Ferse amputiert sind – die Prothesenversorgung ist hier eher schwierig. Sport und Bewegung sind für mich aber wichtig, sodass ich mich zur Unterschenkelamputation entschloss. Vor der Amputation war es eine einzige Belastung. Morgens um sieben Uhr stand ich auf, fuhr zur Arbeit und schon stiegen die Schmerzen auf, obwohl ich saß.
Ich kann mir vorstellen, dass Dein Wunsch zur Amputation nicht alle ÄrztInnen begeisterte.
Kim Cremer: Das erste Krankenhaus in Düsseldorf wollte auf gar keinen Fall amputieren. Zu dieser Zeit glaubte ich den ÄrztInnen aber auch noch, dass die Schmerzen weniger würden und ich den Fuß wieder richtig nutzen könnte. Ich hatte nicht mit einem solch langen und schwierigen Heilungsprozess gerechnet. Auch hatte ich nicht erwartet, dass der Fuß durch mehrere Monate ruhig stellen soweit verknöchern würde, dass physiotherapeutisch keine Lockerung mehr möglich sein würde. In der BG Klinik Duisburg war ich zunächst zur Schmerztherapie, bei der mich die ÄrztInnen auch besser kennenlernten. Dort hieß es schließlich, dass man mir mit einer Unterschenkelamputation vermutlich helfen würde, aber es natürlich keine Garantie gibt. Für mich war nur wichtig, dass ich den Fuß mitsamt den Schmerzen loswerde. Selbst wenn ich im Rollstuhl lande, hätte ich diese Schmerzen nicht mehr. Den Schmerz loszuwerden, war für mich wichtiger, als danach schwerer gehandicapt durch das Leben zu gehen.
Deine Familie nimmt in Deinem Leben einen hohen Stellenwert ein. Wie hat sie Dich in dieser Zeit und bei Deiner Entscheidung unterstützt?
Kim Cremer: In der Anfangszeit war meine Frau jeden Tag im Krankenhaus, obwohl sie nebenbei arbeitete und sich um die Kinder kümmerte. Es war absolut bilderbuchmäßig, wie sich meine Familie verhalten hat. Als ich die Amputation vorschlug, suchte ich mit meiner Familie zusammen Menschen, mit denen wir uns austauschen konnte. So lernte ich z. B. Matthias Wagner kennen, der oberschenkelamputierter SUP-Lehrer (Stand-Up-Paddling) ist. Er organisierte ein Treffen mit anderen Amputierten und deren Familien in seinem Garten. Wir kannten vorher niemanden mit einer Amputation. Meine Tochter bemerkte schließlich, dass die Amputierten, die dort waren – oberschenkel- und unterschenkelamputiert –, alle besser liefen als ich zu diesem Zeitpunkt. Ich stand dort und hatte die gesamte Zeit Schmerzen – alle anderen nicht. Das Verständnis von meiner Familie war damit absolut gegeben. Gemeinschaftlich suchten wir weiter nach Informationen – ich versuche mich bei allen wichtigen Themen, immer so intensiv wie möglich damit auseinanderzusetzen und mir zum Schluss ein eigenes Bild zu machen.
Gab es eine bestimmte Situation, die dafür sorgte, dass Du über eine Amputation nachgedacht hast?
Kim Cremer: Den Startschuss zu Amputation bekam ich tatsächlich bei einem Urlaub in der Türkei. Wir trafen dort einen heute noch befreundeten Orthopädietechniker. Unsere Kinder spielten miteinander, sodass wir uns austauschten; er sah mich beim Gehen und wir stellten fest, dass wir sogar noch recht nah beieinander wohnen. Schließlich fragte er mich – obwohl er im Urlaub eigentlich nicht arbeiten wollte –, ob jemand meinen Fuß versorgt bekäme. Zwar hatte ich einen orthopädischen Maßschuh bis zum Knie, um den Fuß zu stabilisieren, aber es war keine gute Lösung. Er hätte eine solche Versorgung gar nicht versucht und fragte mich schließlich, ob ich schon einmal über eine Amputation nachgedacht hätte. Bis zu diesem Gespräch glaubte ich immer daran, dass ich mit dem Fuß wieder gehen könnte.
Heute kommst Du sehr sportlich daher und hast Dich mittlerweile dem Laufen verschrieben. Woher kommt Deine Begeisterung für den Laufsport?
Kim Cremer: Dazu muss ich sagen, dass ich nie der Läufertyp war. Vor der Amputation trainierte ich eher den Oberkörper und war deshalb im Fitnessstudio anzutreffen. Ansonsten interessierte mich Sport nicht. Als ich nach der Amputation zum ersten Mal auf einer Sportprothese stand, merkte ich, was mir an Kondition fehlte. Genau das hat mich angespornt – schließlich werde ich nicht jünger. So kam ich zum TSV Bayer Leverkusen und schloss mich der „Fit mit Prothese-Gruppe“ an, die für jedermann ist, um mehr Stabilität im Rumpf zu bekommen. Unsere Trainerin meinte schließlich, dass es mir mit ein bisschen Training richtig Spaß machen könnte. Ich lernte David Behre (das Interview mit ihm lest ihr hier) kennen, der mir eine Lauffeder von sich lieh und ab dem Moment war es um mich geschehen (lacht): das hat so einen Spaß gemacht! Stück für Stück kam meine Laufsucht zustande. Gefördert wurde diese durch die Pandemie: die Hallen waren geschlossen, sodass wir meine Laufprothese für die Straße fit machten. Vor der Tür nur hundert Meter zu laufen, macht keinen Spaß. Also fing ich mit fünf Kilometern an – das ist die erste magische Grenze. Am Anfang brauchte ich dafür vierzig Minuten. Wir passten die Prothese weiter an, da ich zu Beginn schnell Schmerzen hatte. Als die Prothese passte, lag es nur noch an mir. Stück für Stück näherte ich mich den dreißig Minuten. Zuletzt absolvierte ich die Strecke in nur noch zweiundzwanzig Minuten. Es lohnt sich aber nicht, sich für zwanzig Minuten Lauftraining umzuziehen (lacht), also musste ich die Strecke verlängern. Zehn Kilometer konnte ich so absolvieren, dass ich danach noch meinen Alltag bewältigen konnte – das konnte ich früher schon bei einfachem Stehen nicht.
Im September 2021 stand für Dich ein besonderes Erlebnis an: der Halbmarathon in Berlin. Warum hast Du Dich von den zehn Kilometern noch einmal auf die Halbmarathondistanz gesteigert?
Kim Cremer: Schließlich kam die Anfrage vom TSV, ob ich nicht in Berlin starten möchte. Dort wurden auch die Deutschen Meisterschaften der Para-Leichtathletik im Halbmarathon ausgetragen. Vorher lief ich noch zweimal 15 Kilometer – die Geschwindigkeit passte. In den Wochen vor dem Halbmarathon hatte ich extreme Stumpfschmerzen, weil ich es mit dem Training übertrieben hatte. Auf Bitten unserer Trainerin machte ich in der letzten Woche vorher aber nichts mehr, was ich durchziehen konnte.
Der Marathon und der Halbmarathon in Berlin sind eine echte Institution – wie hast Du Deinen Lauf erlebt?
Kim Cremer: Ich habe gelitten (lacht). Es war geil zu starten, es war geil anzukommen. Ich hatte eingeplant, zweimal zwei Minuten Pause zu machen, um in der Prothese etwas trocken zu legen. Mein Ziel war es, den Halbmarathon in ungefähr zwei Stunden zu schaffen. Aber ich lief wie ein Uhrwerk. Ich konnte mich aus den schnellen Gruppen heraushalten und mein eigenes Rennen laufen. Auch das Trinken und Essen zwischendrin passte – ich war aber so voller Adrenalin, vermutlich wäre ich auch ohne Trinken ins Ziel gekommen (lacht). Danach war ich richtig fertig, aber auch unglaublich stolz auf meine Zeit: 1:46!
Man sagt den Strecken in Berlin nach, sie seien eine Sightseeingtour – hast Du davon überhaupt etwas mitbekommen?
Kim Cremer: Start und Ziel ist das Brandenburger Tor. Danach läufst du auf die Siegessäule zu – das ist maximal geil. Die Straßen waren leer, abgesehen von den vielen LäuferInnen. Vom ersten Kilometer an war ich reizüberflutet und konnte mich nicht nur auf das Laufen, sondern auch auf das Drumherum konzentrieren. Es waren sehr viele ZuschauerInnen an der Strecke, die mit Schildern und Megaphonen die SportlerInnen angefeuert haben. Auf den Startnummern stehen die Namen, sodass du mit deinem Namen angefeuert wirst – das spornt unglaublich an.
Das klingt nach einer großartigen Atmosphäre und großen Emotionen.
Kim Cremer: Beim Zieleinlauf heulte ich wirklich. Auf einmal die Medaille zu erhalten und früher nicht im Traum an einen Halbmarathon gedacht zu haben, war ein unbeschreiblicher Moment. In wenigen Sekunden konnte ich Revue passieren lassen, wo ich herkomme. Ich musste daran denken, was ich mir die letzten Jahre angetan habe bzw. was mir angetan wurde und wie ich da herausgekommen bin. Am Tagesende geht es darum, sich zu schütteln und nach vorne zu schauen. Wenn dir jemand dein Leben versaut, dann nur weil du dir das Leben versauen lässt.
Nach dem Lauf kamen viele Menschen zu mir, die mir erzählten, dass sie die letzten Kilometer hinter mir herliefen, um zu sehen, wie ich die Ziellinie überquere und ich aber zum Schluss noch einmal Gas gegeben habe. Da wurde mir erst bewusst, dass für die meisten mein Lauf nicht normal war. Viele amputierte Menschen haben aufgrund der körperlichen Funktion und der zur Verfügung stehenden Prothesen überhaupt nicht die Möglichkeit, einen Halbmarathon in Angriff zu nehmen.
Nach dem Erlebnis steht dann bestimmt der Marathon als nächste Herausforderung an, oder?
Kim Cremer: Auf gar keinen Fall (lacht). Maximal laufe ich noch einmal einen Halbmarathon, um an der Zeit noch weiterzuarbeiten. Aber ich habe mich in Berlin schon ziemlich unterboten. Jetzt schaue ich gerade, was mit dem Fahrrad oder auch beim Schwimmen möglich ist. Beim Schwimmen kommt es weniger auf die Technik als auf die Fitness an, da ich ohne Prothese schwimme. Ich möchte nicht schon wieder von einer Prothese abhängig sein und freue ich mich eher darüber, was aus dem Oberkörper heraus möglich ist.
Wenn Du mit einer Prothese eine Zeit auf der Halbmarathondistanz hinlegst, von der viele LäuferInnen nur träumen können, frage ich mich, an welchen Stellen der Sport mit Prothese scheitert.
Kim Cremer: Wenn es scheitert, scheitert es eher am Menschen als an der Technik. Es gibt mittlerweile so viele Möglichkeiten: wir haben Prothesen aus Carbon, es gibt Prothesenschäfte aus dem 3D-Drucker. Beim Stand-Up-Paddeln z. B. muss man nur stehen können – die Belastung muss der Körper aushalten. Man muss nur wissen, wie weit man sich ausprobieren möchte. Ich probiere immer alles aus und stelle dabei fest, dass die Grenzen durch meinen Körper und nicht durch die Prothese gesetzt werden. An meinem Körper kann ich jedoch arbeiten. Ich habe das Glück, dass ich lediglich amputiert bin und ansonsten keine, also fast keine, anderen körperlichen Beschwerden habe.
Was hast Du denn schon alles ausprobiert?
Kim Cremer: Stand-Up-Paddeln, Kickboxen im Be your own hero-Projekt, Fußball, aber nicht im Verein. In der Para-Leichtathletik sprang ich auch einmal in eine Sandgrube – Weitspringen würde ich das aber nicht nennen (lacht). Darüber hinaus aber auch Kugelstoßen und eben das Laufen. Mich reizt dabei, die Carbonfeder zu nutzen und meinen Körper an seine Grenzen zu bringen. Kitesurfen habe ich auch probiert und das Kitebuggyfahren. Fahrradfahren funktioniert ebenfalls super, nicht nur auf der Straße, sondern auch Down-Hill. Der größte Sport ist aber der Alltag selbst: aufstehen, Essen fertig machen, einkaufen, sich mit dem Hund durch die Gegend ziehen zu lassen, das eine Kind tragen und und und.
Genau an dieser Stelle setzt auch das Konzept von APT-Prothesen an. Wie genau wird dieser Ansatz realisiert?
Kim Cremer: Man kommt in die Filiale und bekommt nicht sofort die überragende Prothese, sondern man muss erst einmal zeigen, wie der Körper konstituiert ist. Ich wollte am Anfang direkt die Sportprothese haben, doch mir wurde dort aufgezeigt, dass es mit drei Kindern und einem vollen Alltag wichtiger ist, dass ich im Alltag eine richtig gute Prothesenversorgung habe. Das ist viel wichtiger, als einmal in der Woche auf der Sportprothese zu trainieren. Das brachte mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Im Gespräch mit Physiotherapeuten in der Reha merkte ich schnell, dass die wenigsten eine Ahnung von der Prothesentechnik haben und der Techniker damit für mich noch viel mehr an Bedeutung gewinnt. Bei APT wird man darüber hinaus noch begleitet und dem Kunden wird ein großes Netzwerk zugänglich gemacht. So muss man nicht jedes Mal wieder seine gesamte Geschichte erzählen oder erst nach ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen suchen, die sich mit Prothesen besser auskennen als der Durchschnitt.
Mittlerweile wirst Du nicht nur von APT-Prothesen versorgt, sondern arbeitest auch dort. Was sind Deine Aufgaben?
Kim Cremer: Ich kümmere mich um den Social Media-Auftritt. Auf meiner Visitenkarte steht Social-Media- und Kommunikationsmanagement. Ich erzähle hin und wieder von APT-Prothesen und kümmere mich um die App Prothesengemeinschaft: hier halte ich andere ProthesenträgerInnen auf dem Laufenden, verbreite Events und sorge für Podcasts. Aber ich bin auch bei den Events in den Filialen dabei. Hier kümmere ich mich nicht nur um die Werbung vorab, sondern bin vor Ort als Ansprechpartner dabei. Ich bin immer dort, wo ich gebraucht werde (lacht). Zum Teil bin ich intern als Peer gefragt, wenn jemand, der frisch unterschenkelamputiert ist, noch Fragen hat, die ein nicht-amputierter Arzt nicht oder nur unzureichend beantworten kann. Da zählt es auch nicht, ob ich bei APT arbeite. Es geht für mich darum, den ProthesenträgerInnen vom Alltag zu erzählen und ihnen ihre Fragen zu beantworten.
Welche Fragen werden Dir dabei besonders häufig gestellt?
Kim Cremer: Die häufigste Frage ist: „Bist Du schon ohne Prothese hingefallen, weil du vergessen hast, dass du die Prothese ausgezogen hast?“ (lacht). Häufig wird aber auch gefragt, wie lange es von der Amputation bis hin zur fertigen Prothese gedauert hat oder wie lange ich brauchte, um mit der Prothese zu laufen. Immer wieder sind auch Phantomschmerzen ein Thema.
Da muss ich natürlich nachfragen: bist Du denn schon einmal ohne Prothese gestürzt?
Kim Cremer: (lacht) Ich bin schon mehrfach ohne Prothese gestürzt. Beim ersten Mal hatte ich noch gar keine Prothese, meinte aber auf einem Bein im Haushalt gut helfen zu können und verlor das Gleichgewicht. Dabei fiel ich auch noch ungünstig, sodass sich dadurch der Stumpf noch veränderte. Leider befindet sich deshalb loses Gewebe am unteren Ende meines Stumpfs, was die Prothesenversorgung nicht erleichtert. Beim zweiten Mal saß ich abends lesend vor dem Kamin und wollte Holz nachlegen, die Prothese hatte ich aber schon neben mich gelegt… Die Prothese sah ich nur noch aus dem Augenwinkel und konnte mich gerade noch abfangen. Beim dritten Mal lag ich bei meiner Tätowiererin und hatte die Prothese schon ausgezogen. Sie bereitete noch etwas vor und ich wollte nur noch schnell auf die Toilette – ich räumte ihr den ganzen Tattotisch ab und es krachte ordentlich, aber ich fiel nur auf den Hintern. Es passiert also tatsächlich, dass man ohne Prothese fällt. Wichtig ist nur, dass man sich gut abfängt. Gerade bei Oberschenkelamputationen ist der Fallweg auch noch länger. Ich sehe aber auch die positive Seite: dass ich vergesse, dass ich die Prothese abgelegt habe, bedeutet eben auch, dass ich keine Schmerzen habe und die Prothese nicht immer wahrnehme.
So kann man jede Situation auch wieder von zwei Seiten betrachten. Vielen Dank für die spannenden Einblicke!
Mehr zu Kim lest ihr in seinem Blog unter https://kimiiblog.wordpress.com/
Bildquelle: Mika Volkmann
Das Interview führt Katharina Tscheu.