Paralympicssiegerin in Rio de Janeiro, ehrenamtlich aktiv, Referentin – Franziska Liebhardt kann durchaus als „Tausendsassa“ bezeichnet werden. Und all dies mit einer Spenderlunge und einer Spenderniere. Bei Franzi wurde eine Kollagenose diagnostiziert. Unter diesemOberbegriff werden
organunspezifische Autoimmunkrankheitenzusammengefasst, die eine Degeneration, also einen Untergang, des Bindegewebes verursachen. Die genauen Ursachen dafür sind nochunbekannt. In Folge dessen kam es bei Franzi unter anderem zu einerLungenfibrose, wobei sich das Bindegewebe
der Lunge vermehrt undschließlich zu dessen Vernarbung führt. So wird die Dehnbarkeit der Lungemassiv eingeschränkt und Betroffene leiden unter Atemnot. Der Therapiefokusliegt auf einer Verlangsamung des
Erkrankungsfortschritts, indem dasImmunsystem mit Immunsuppressiva unterdrückt wird. Eine Heilung istjedoch nicht möglich. Mittlerweile hat Franzi schon ihre zweite Spenderlungeerhalten und kennt ihre Erkrankungen bestens. Die Kollagenose griff bei Franzi aber auch das zentrale
Nervensystem an, sodass aufgrund einer spastischen Bewegungsstörung ihr rechter Fuß nicht richtig angesteuert werden, sie ihr rechtes Handgelenk nicht strecken kann und die Feinmotorik der rechten Seite eingeschränkt ist. Aufgrund dieser Einschränkung trat sie bei den Paralmypics in der Klasse F37 – halbseitige spastische Lähmung – beim Kugelsoßen und im Weitsprung an. Im Kugelstoßen holte sie sich mit einem neuen Weltrekord von 13.96m Gold und gewann einen Tag später im Weitsprung mit 4.42m Silber. Heute ist sie nicht mehr im Leistungssport aktiv, doch dafür umso aktiver bei der Aufklärung für Organspende und der Unterstützung von Organtransplantierten.
Wir haben mit der Paralympicssiegerin gesprochen, um mehr zum Thema Leistungssport mit einem Spenderorgan und ihrem Einsatz für Organspenden zu erfahren.
Hallo Franzi, herzlichen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst, unsere Fragen zu beantworten. Bis Du 20 Jahre alt warst, verlief Dein Leben normal. Was genau ist dann passiert?
Franzi: Es begann mit seltsamen Hautveränderungen. Die Haut am rechten Unterschenkel sah zunächst entzündet aus und wurde dann zunehmend hart. Irgendwann fühlte sich der Unterschenkel wie Beton an. Ich wurde mit Antibiotika behandelt, verbrachte Wochen in Kliniken, um eine vermeintliche bakterielle Entzündung zu behandeln. Trotzdem griff das Problem irgendwann auch auf den anderen Unterschenkel, später auch auf die Unterarme über. Die Ärzte warfen mir vor, dass ich meine Medikamente nicht regelmäßig nähme, weil sie das Problem nicht in den Griff bekamen. Eine tiefe Haut-Faszien-Muskelbiopsie, erst Monate später und auf meine hartnäckige Initiative hin durchgeführt, zeigte, dass es eben keine bakterielle Entzündung der Haut war, sondern eine Autoimmunerkrankung, eine sog. Kollagenose vorliegt. Ich wurde dann mit Corticosteroiden und Immunsuppressiva behandelt und die Hautprobleme wurden zunächst deutlich besser.
Einige Zeit später bemerkte ich dann aber beim Sport, dass ich unter Belastung immer schlechter Luft bekam. Im CT der Lunge wurde eine offensichtlich schon länger bestehende Lungenfibrose festgestellt. Verschiedene Behandlungsversuche wurden unternommen, die leider alle scheiterten. Irgendwann hieß es, wenn Sie keine neue Lunge bekommen, werden Sie in spätestens einem Jahr tot sein. Damit nahm meine „medizinische Karriere“ dann so richtig ihren Lauf. Da war ich 26 Jahre alt.
Heute betrifft die Erkrankung neben der Lunge auch die Nieren, Speiseröhre, Blutgerinnung und das zentrale Nervensystem.
Schon 2009 bekamst Du dann eine Lunge transplantiert. Wie kann man sich den Ablauf aus Patientensicht vorstellen?
Franzi: Wenn eine fortschreitende, aus medizinischer Sicht austherapierte Lungenerkrankung besteht, die die Lebensqualität erheblich einschränkt bzw. die Lebensdauer verkürzt, kann man sich auf die Warteliste zur Lungentransplantation setzen lassen. Dafür muss man zahlreiche Voruntersuchungen durchlaufen, körperliche und auch psychologische. Zusätzlich geht es darum, mögliche Infektionsherde (Zähne, HNO, Gyn) vorab zu sanieren, damit später unter Immunsuppression keine Probleme auftreten. Und Impfungen zu komplettieren. Den Körper abgesehen von der Lungenerkrankung in einem guten Zustand zu halten, um eine so große Operation überhaupt zu überstehen. Von psychologischer Seite wird geklärt, ob man in der Lage ist, sich an vorgegebene Regeln zu halten, Medikamente regelmäßig einzunehmen, angemessen auf sich zu achten. Überhaupt zu verstehen, worum es geht, was auf einen zukommt und dass man zur Mitarbeit verpflichtet ist. Und es wird gesichert, dass man vorher weiß, worauf man sich einlässt und dass auch nach erfolgreicher OP ein Leben lang Nachsorge und Vorsicht Teil des Alltags sein müssen.
Wenn alle Unterlagen zusammen sind, entscheidet eine sog. Transplantationskonferenz am gewählten Zentrum darüber, ob man auf die Warteliste aufgenommen wird. Wenn das so ist, so heißt es ab diesem Zeitpunkt warten. Das wiederum bedeutet, zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar zu sein. Wenn der Anruf kommt, wird man in die Klinik transportiert, dort wird alles vorbereitet und wenn das Organ bis dahin von den Chirurgen als „in Ordnung“ klassifiziert wurde, kann auch operiert werden. Nicht selten kommt es vor, dass Organe auf dem Papier zunächst gut und passend aussehen, wenn die Chirurgen zum Spender fliegen, aber doch irgendwas nicht passt und das Organ nicht transplantiert werden kann. Das ist ein sog. Fehlalarm, dann kann es auch sein, dass man wieder nach Hause geschickt wird und auf den nächsten Anruf warten muss.
Was hattest Du für Gedanken und Gefühle vor, aber auch nach der Transplantation?
Franzi: Vor der ersten Transplantation hatte ich viel mit Schuldgefühlen zu tun. Ich hatte das Gefühl, mich schuldig am Tod eines anderen Menschen zu machen. Nicht, weil ich dessen Organe bekomme, sondern vielmehr dass ich mit der Hoffnung, selbst leben zu können, letztlich ja auch hoffe und darauf warte, dass ein anderer Mensch stirbt. Das war für mich ein schwerer seelischer Konflikt am Anfang. Ich hatte aber Hilfe von Seelsorge und Psychologen und konnte dann verstehen, dass ich zwar vom Tod eines anderen Menschen profitiere, aber nicht Schuld an dessen Tod bin. Heute kann ich damit gut umgehen.
Nach der Transplantation lernte ich auch Angehörige von Organspendern (nicht von meinen!) kennen. Das waren immer sehr emotionale aber auch sehr bereichernde Begegnungen. Die Mutter eines jungen Mannes, der plötzlich an einer Hirnblutung verstorben war und Organspender war, erzählte mir, dass es ihr bei der Verarbeitung des Todes sehr helfe, zu wissen, dass seine Organe noch in anderen Menschen weiterleben. Sie konnte so einen tröstlichen Sinn in seinem Tod finden, der sonst ja so sinnlos schien.
Heute stelle ich mir manchmal vor, dass mein Organspender von oben auf mich herabschaut und sich freut, dass er nach seinem Tod noch soviel Gutes bewirken konnte. Und natürlich nehme ich meine Spender auch immer mit, wenn Glücksmomente anstehen. Es gibt da eine ganz tief empfundene Dankbarkeit und ich trage sie immer in meinem Herzen bei mir.
Wenn ich zum Beispiel beim Bergsteigen auf dem Gipfel stehe, oder in Rio auf dem Siegertreppchen, steht da noch jemand neben mir. Jemand, dem ich dieses Glück verdanke.
Wie fühlt es sich an, ein Organ eines anderen Menschen in sich zu tragen?
Franzi: Rein körperlich fühlt es sich an wie meine eigene Lunge zu gesunden Zeiten. Viele Menschen fragen mich, ob sich der Atem anders anfühlt oder anders riecht als mit meiner eigenen Lunge, das ist aber nicht so.
Psychologisch ist das natürlich was ganz anderes. Man fühlt einerseits eine ganz tiefe Dankbarkeit für die Spender und ihre Familien, dass sie die Größe und Güte hatten, in einem Zustand, in dem sie selbst in tiefster Trauer waren, an andere Menschen zu denken und u. a. mir damit das Leben retteten. Andererseits fühlt man eine große Verantwortung. Gut auf dieses geschenkte Leben aufzupassen, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass es lange gut funktioniert. Dieses Geschenk jederzeit zu behüten und zu schätzen. Und nicht leichtsinnig zu gefährden.
Im Frühjahr 2020 hast Du Deine zweite Lunge transplantiert bekommen. Seit dem Frühjahr ist aber auch das Corona-Virus allgegenwärtig. Wie erlebst Du diese Zeit der Pandemie?
Franzi: Corona erschwert die Situation aller chronischkranken Patienten erheblich, insbesondere auch die von Organtransplantierten, die – damit das Organ nicht abgestoßen wird – ihr Leben lang immunsuppressive Medikamente einnehmen und damit erheblich infektanfälliger sind als gesunde Menschen. Man muss also sehr sehr gut auf sich aufpassen in diesen Zeiten. Mich hat Corona hart getroffen, in der Wartezeit auf die neue Transplantation war ich in häuslicher Quarantäne, d. h., außer dem Sauerstofflieferanten und dem Pflegedienst durfte niemand zu mir rein, noch nicht mal die nächsten Angehörigen. In der Zeit der Klinik bedeutete der Corona-Lockdown, dass in der Klinik absolutes Besuchsverbot herrschte. Das galt auch für Intensivstationen. Es ist schwer, die Zeit auf Intensivstation ohne jemanden zu überstehen, der einem ab und zu die Hand hält. Jetzt bedeutet Corona, dass ich Menschenansammlungen weiterhin meiden muss, noch nicht in die Stadt oder ins Cafe gehen kann, um mich z. B. mit Freunden zu treffen. Ich kann rausgehen und Sport treiben oder mich mit einzelnen Menschen treffen, ein Sozialleben wie vor Corona wird es für mich aber noch deutlich länger nicht geben als für die gesunden Menschen da draußen.
Wenn man den Statistiken Glauben schenken mag, bleibt eine Spenderlunge rund fünf Jahre funktionstüchtig, bei Dir waren es über zehn Jahre. Wie erklärst Du Dir dies?
Franzi: Gut, erst einmal muss man natürlich sagen, dass Statistiken natürlich eine gewisse allgemeine Aussagekraft haben mögen, für einen Einzelnen letztlich aber natürlich gar nichts bedeuten.
Ich denke, bei mir spielten viele Faktoren eine Rolle, u .a. auch einfach Glück. Ich habe ein gutes Organ bekommen, habe nach der Operation wenig Komplikationen gehabt und bin insgesamt gut durch das gefährliche erste Jahr danach gekommen. Das ist ein großes Geschenk.
Es spielt aber sicher auch eine Rolle, dass ich sehr diszipliniert bin. Das gilt für das Wahrnehmen von Nachsorgeterminen, das zeitnahe Kümmern um Probleme, die auftreten, den gewissenhaften Umgang mit den Medikamenten und das gut informiert sein über die eigene Erkrankung. Immer wieder erlebe ich, dass viele Patienten viel zu wenig wissen über die eigene Erkrankung, die Wirkung ihrer Medikamente und ihren Körper.
Ich treibe ganz regelmäßig und vielseitig Sport, um den Körper auf einem guten Fitnesslevel zu halten, ich esse bewusst und ausgewogen, achte auf mein Gewicht, trinke keinen Alkohol, ich halte mich an Hygienevorschriften.
Ich glaube aber auch fest daran, dass die Psyche eine große Rolle spielt. Ich lebe mit meiner Erkrankung, sie gehört dazu, aber mein Leben kreist nicht nur darum. In meinem Leben gibt es viele andere wichtige Themen. Das halte ich für unbedingt wichtig, um eine gute Lebensqualität zu haben. Wer den ganzen Tag nur um seine Erkrankung kreist, schränkt sich selbst ein und wer ständig Angst vor Problemen hat, wird auch schneller welche bekommen. Daran glaube ich fest.
Sport hatte schon immer einen großen Stellenwert für Dich, mit dem Leistungssport hast Du aber erst nach Deiner ersten Transplantation begonnen, zunächst im Rahmen des Transplantiertensports, später dann im paralympischen Sport. Was sind die Unterschiede zwischen dem Transplantiertensport und dem paralympischen Sport?
Franzi: Ich habe auch vor der Transplantation schon Leistungssport betrieben, allerdings im Volleyball. Nach der Transplantation riet man mir vom Volleyballspielen ab, man sagte, eine Einzelsportart sei sinnvoller, einfach aufgrund der geringeren Verletzungsgefahr. So stieg ich auf die Leichtathletik um.
Transplantiertensport und paralympischer Sport sind nicht vergleichbar. Transplantiertensport hat nicht sportliche Höchstleistung zum Ziel, sondern es geht nur darum, dass transplantierte Menschen überhaupt wieder an Sport herangeführt werden und Spaß daran haben. Die Wettkämpfe im Transplantiertensport sollen dazu dienen, der Öffentlichkeit zu präsentieren, dass Menschen nach Organtransplantation eine gute Lebensqualität haben und auch wieder Sport treiben können. Jeder, der Lust hat, kann daran teilnehmen, es sind keine Qualifikationen oder sonstige Voraussetzungen notwendig. Organspende soll positiv in der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Paralympischer Sport hingegen ist Hochleistungssport. Die Erkrankungen bzw. Behinderungen der Sportler sind nur sekundär interessant, in erster Linie zählt die Leistung. Man wird auch nur an der Leistung gemessen und nur, wer vorgegebene Leistungen erbringt, kann sich für Wettkämpfe qualifizieren. Es gibt ein Kadersystem, man macht 10 – 12mal Training pro Woche, hat ausgeklügelte Trainingspläne, regelmäßige Lehrgänge und Trainingslager im In- und Ausland, regelmäßige Dopingkontrollen, professionelle Begleitung durch große Teams im Hintergrund. Ziel dabei ist immer, die höchstmögliche sportliche Leistung zu erreichen.
In Deiner Karriere hast Du sowohl Medaillen im Weitsprung als auch im Kugelstoßen gewonnen. Wie kam es zu dieser Kombination der Disziplinen?
Franzi: In der paralympischen Leichtathletik gibt es leider keine Mehrkämpfe für Menschen wie mich, die in verschiedenen Disziplinen gute Leistungen erbringen können. So musste ich mich für eine Einzeldisziplin entscheiden.
Ich bin von Haus aus Kugelstoßerin. Das war immer meine Hauptdisziplin, die, auf der immer der Fokus lag. Dafür hatte ich das meiste Talent und auch den größten Ehrgeiz.
Der Weitsprung lief als Zweitdisziplin. Im Volleyballsport war ich als Mittelblockerin aktiv, eine Position, auf der überwiegend sehr große Spielerinnen spielen. Ich bin aber nur 1,72m groß und musste fehlende Körpergröße daher immer mit guter Sprungkraft und Schnelligkeit kompensieren, so dass ich diese Fähigkeiten entsprechend gut ausgebildet habe. Und wer schnell laufen und hoch springen kann, springt dann auch meistens ganz gut weit. So kam es zu dieser ungewöhnlichen Disziplinkombination.
Was bedeuten Dir Deine Erfolge heute noch?
Franzi: Es ist mir heute nicht wichtig, dass die Menschen auf der Straße wissen, dass ich mal die Paralympics gewonnen habe. Aber, diese Erfolge haben mir den Weg in ein anderes Leben geebnet, insofern spielen sie schon noch eine Rolle. Ich habe heute viele Anfragen für Interviews, Vorträge oder andere Termine, die ich nicht hätte, wenn es diese Erfolge nicht gegeben hätte. Ich habe dadurch die Chance, mein Herzensthema Organspende an die Menschen heranzutragen, weil sie mir mehr zuhören als anderen, die vielleicht genauso viel zu erzählen hätten, bei denen aber eben kein sportlicher Erfolg im Hintergrund steht.
Die Kombination aus „schwer chronisch krank, transplantiert und Leistungssportlerin“ fasziniert viele Menschen.
Wie ist Deine heutige Verbindung zum Sport bzw. zum Leistungssport?
Franzi: Sport ist nach wie vor ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich mache vier-, fünfmal die Woche Sport, allerdings nur noch zum Spaß. Ich fahre viel Handbike, gehe walken, schwimmen, mache Krafttraining und Yoga. Sport ist für mich wichtig, weil es mir Spaß macht und weil ich überzeugt bin, dass ein Spenderorgan länger „haltbar“ bleibt, wenn es vielseitig belastet wird und wenn Kreislauf und Körperzustand insgesamt sportlich und gut sind. Das hilft auch wunderbar gegen die Nebenwirkungen der vielen Medikamente.
Meine Verbindung zum Leistungssport sind viele Kontakte zu Freunden, Trainerin, Trainingskollegen, die natürlich auch weiterhin bestehen. Ich verfolge den Leistungssport weiterhin interessiert und bin gespannt auf die Leistungen der früheren Kollegen.
Du engagierst Dich gleich in zwei Vereinen – „Sportler für Organspende“ und „Kinderhilfe Organtransplantation“ – zum Thema Organspende. Was sind Deine Aufgaben und Anliegen dabei?
Franzi: Ich gehöre zum Vorstandsteam der beiden Vereine. Die Sportler für Organspende stehen für eine positive Werbung für Organspende in der Öffentlichkeit, über 100 ehemalige Olympia- oder Paralympicssieger, Welt- oder Europameister zeigen ihr Gesicht und haben einen Organspendeausweis, um als positives Beispiel voranzugehen. Wir kämpfen für politische Verbesserungen im Bereich der Organspende und eine bessere Anerkennung der Spender.
Die Kinderhilfe Organtransplantation widmet sich dagegen der ganz konkreten Hilfsarbeit für organtransplantierte Kinder und ihre Familien. Wir helfen mit Geld, Freizeitangeboten und Beratung und unterstützen die Kliniken.
Kurz gesagt, bei VSO (Sportler für Organspende) geht es um eine Verbesserung der Organspendesituation in Deutschland, bei KiO (Kinderhilfe Organtransplantation) geht es um konkrete Hilfe und Unterstützung für Betroffene.
Wie kam es dazu, dass sich so viele bekannte Sportlerinnen und Sportler (z. B. Karl-Heinz Rummenigge, Felix Neureuther oder Steffi Graf) für das Thema Organspende engagieren?
Franzi: Der Mangel an Spenderorganen, die Not der Kranken auf den Wartelisten und die unzureichende Information der Öffentlichkeit über die lebensrettenden Möglichkeiten der Transplantation führten 1996 zur Gründung der Initiative „Sportler für Organspende“, die zwei Jahre später zum „Verein Sportler für Organspende“ umgewandelt wurde. Ins Leben gerufen wird die Initiative durch Hans Wilhelm Gäb, den ehemaligen Aufsichtsrats-Vorsitzenden der Adam Opel AG und langjährigen Präsidenten des Deutschen Tischtennis-Bundes. Der frühere Tischtennis-Nationalspieler, 1992 zum Chef de Mission der deutschen Olympia-Mannschaft für Barcelona gewählt, muss dieses und andere Ämter im Sport niederlegen, weil ein Virus seine Leber zu zerstören beginnt. 1994 wird das Leben Gäbs durch eine Lebertransplantation gerettet. Engster Mitarbeiter des Vereinsgründers ist der ehemalige Olympiasieger und Weltmeister im Gehen, Hartwig Gauder, der das Schicksal des Kranken auf der Warteliste ebenfalls am eigenen Leibe erfährt. Nach einem bakteriell bedingten Herzversagen überlebt Gauder zehn Monate lang mit einem künstlichen Herzen, ehe er im Januar 1997 durch ein Spenderherz gerettet wird. Aufgerüttelt durch diese Geschichten schließen sich viele Sportler dem Verein an, um einen Beitrag zu leisten, die Organspendesituation in Deutschland zu verbessern. Auch heute sind alle Vorstandsmitglieder des Vereins persönlich direkt oder indirekt vom Thema Organspende betroffen.
Erst vor Kurzem hat sich der Deutsche Bundestag gegen die Widerspruchslösung entschieden. Wie bewertest Du diese Entscheidung?
Franzi: Ich bin von der Entscheidung der Bundestagsabgeordneten gegen die Widerspruchslösung enttäuscht. Sie ist ein Schlag ins Gesicht aller Wartepatienten. Mit der Entscheidung für die Zustimmungslösung verlängert sich das Leiden auf der Warteliste und das Sterben geht weiter. Ich bedaure, dass der deutsche Bundestag den deutschen Bürgerinnen und Bürgern, die sich laut Meinungsbefragung ja mehrheitlich für die Widerspruchslösung ausgesprochen haben, nicht zumutet, eine Entscheidung zu treffen, die über Leben und Tod anderer Menschen bestimmt. Die neue Zustimmungslösung ist keine Verbesserung, sondern sie ändert an dem momentanen Zustand nichts.
Es war eine historische Chance, die vertan wurde. Das tut richtig weh.
Du hast in Deinem Leben viele Ärztinnen und Ärzte kennengelernt. Als Medizinstudentin interessiert mich natürlich, was für Dich einen guten Arzt / eine gute Ärztin ausmacht?
Franzi: Ich habe viele gute Ärzte kennengelernt, leider haben die meisten viel zu wenig Zeit für die Patienten, weil sie zu viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen haben. Ich weiß es zu schätzen, wenn Ärzte trotz Zeitdruck bereit sind, zu zuhören und den Patienten ernst zu nehmen. Ich kenne mich mittlerweile sehr gut mit meiner Erkrankung aus und weiß auch in vielen Situationen, was bei mir funktioniert und was nicht. Ich wünsche mir, dass das von Ärzten auch wahrgenommen und respektiert wird und man nicht einfach darüber hinweggeht.
Ich mag es, wenn Ärzte offen und ehrlich sprechen, auch wenn die Dinge schwierig oder kritisch werden, denn ich kann mit jeder Situation umgehen, solange ich weiß, woran ich bin. Das schlimmste ist, wenn man das Gefühl hat, dass einem nicht die volle Wahrheit gesagt wird.
Was wünscht Du Dir ganz konkret von angehenden ÄrztInnen, von mir als Medizinstudentin?
Franzi: Ich freue mich über die vielen verschiedenen Projektgruppen und Initiativen von Studierenden, die sich verschiedenen wichtigen Themen der Medizin widmen, wie z. B. auch der AG Aufklärung Organspende, die eine wirklich tolle, wertvolle Arbeit leisten.
Es wäre schön, wenn dieses Engagement von den Studierenden auch später im Beruf weitergeführt würde, denn speziell in Deutschland hängt die tatsächliche Umsetzung einer Organspende sehr vom persönlichen Engagement des Klinikpersonals ab.
Und was sind Deine Ziele in der nächsten Zeit? Was wünschst Du Dir?
Franzi: Persönliche Ziele sind, dass ich mich weiter gut von der zweiten Lungentransplantation erhole und wieder gut und komplikationsfrei durch das schwierige erste Jahr komme. Ich möchte wieder fit werden, um so aktiv sein zu können wie zuvor mit der ersten Spenderlunge. Da liegt noch ein längerer Weg vor mir aber ich arbeite täglich daran.
Ich möchte die Vereine Sportler für Organspende und Kinderhilfe Organtransplantation weiter voranbringen, dort neue Ideen umsetzen und weiterhin eine gute, sinnhafte Arbeit leisten. Ich wünsche mir, dass die positive Welle, die die vielen Diskussion rund um Einführung einer Widerspruchslösung in Deutschland ausgelöst hat, weiter schwappt und sich weiterhin viele Menschen mit dem Thema Organspende beschäftigen. Ich werde bei dem Thema keine Ruhe geben, bis sich die Zahlen in Deutschland merklich gebessert haben.
Das ist ein tolles Schlusswort. Vielen Dank!
Das Interview führte Katharina Tscheu.
Bildquelle: Jörg Frischmann, TSV Bayer 04 Leverkusen