Jeder Mensch reagiert auf schlechte Nachrichten anders. Manche Reaktionen erscheinen dabei bisweilen ungewöhnlich. Als eine solche scheinbar ungewöhnliche Reaktion mag die Entstehungsgeschichte des Buches von Dietmar Gebert klingen. Im Frühjahr 2020 wird bei Dietmar Darmkrebs diagnostiziert. Darmkrebs gehört in Deutschland, aber auch weltweit, zu den häufigen Krebsdiagnosen. In den meisten Fällen ist der Dickdarm betroffen, Darmkrebs im Dünndarm ist eher selten. Häufig entsteht ein Tumor aus Wucherungen im Darm, den sogenannten Polypen. Diese müssen aber keineswegs immer zu einem bösartigen Tumor auswuchern, sondern können auch gutartig sein und bei einer Darmspiegelung entfernt werden ohne je Probleme gemacht zu haben.
Auch bei Dietmar stand nach einer Darmspiegelung fest, dass er Darmkrebs hat. Im Rahmen einer Operation wurde ihm ein Teil des Darms und damit der Tumor entfernt. Die gesamte Reise beschreibt er humoristisch und bisweilen satirisch in seinem Blog „Reise nach Darmstadt“ nieder – im Winter 2021 entstand daraus schließlich sein Buch mit dem Titel „Tumor mit Humor“.
Doch es war nicht nur eine Reise nach Darmstadt, die Dietmar unternommen hat – über die Zeit lernte er auch sich selbst neu kennen. Durch die Krebsdiagnose veränderte sich Dietmars Leben: jetzt ist er nicht nur bekannt für seinen stets humorvollen Umgang, sondern auch Buchautor.
Besten Dank, Dietmar, dass wir uns unterhalten können. Ich durfte bereits in Deinem Buch lesen und weiß daher ein wenig über Dich. Was muss man aber unbedingt von Dir wissen, wenn man Dich noch nicht kennt? Was zeichnet Dich aus?
Dietmar Gebert: Was mich auszeichnet, ist, dass ich ein sehr kreativer Mensch bin. Das Schreiben wurde mir aber nicht in die Wiege gelegt. Auch während der Schulzeit hatte ich nie den Zugang zur deutschen Sprache – besondere Erlebnisse inklusive: eine Klausur von mir wurde beispielsweise mit null Punkten bewertet. Mein Lehrer schrieb noch darunter, dass meine Ausführungen ein ‚Gefasel ohne jegliche Aussage‘ seien (lacht). Vielleicht war das eine Initialzündung. Zunehmend schrieb ich satirische Texte. Früher war ich ehrenamtlich in der Jugendarbeit aktiv, bei der es immer wieder die Möglichkeit gab, Texte und Geschichten zu schreiben. Später erstellte ich im Privatbereich für Geburtstage und Hochzeiten Diashows. Außerdem bin ich Teil einer Theatergruppe, in der es schließlich die Problematik gab, dass wir keine passenden Stücke mehr fanden. So wurde ich gefragt, ob ich eines schreiben würde. 2008 schrieb ich daher das erste Theaterstück. Man kann dabei sagen, dass ich nur lustig schreiben kann (lacht). Bei uns in der Fastnacht stehe ich seit vierzig Jahren auf der Bühne und arbeite mit der Sprache – Sprache ist mittlerweile mein Thema (lacht). Ich bin ein Mensch, der großen Wert darauf legt im Umgang mit Menschen humorvoll zu sein – beruflich als auch privat (lacht).
Selbst als Dir gesagt wurde, dass Du Darmkrebs hast, bliebst Du humorvoll.
Dietmar Gebert: Genau. Am 27. März 2020 bekam ich die Diagnose und fuhr nachmittags ins Büro. Ich arbeite bei einem Unternehmen in der Personalabteilung, wo ich mich an diesem Tag von meinem Chef auf unbestimmte Zeit verabschiedete und eine Abschiedsmail an alle KollegInnen verfasste. Eigentlich ging es mir in diesem Moment sehr schlecht, aber ich wollte den KollegInnen keine E-Mail schreiben, bei der alle anfangen zu weinen, sondern ich wollte, dass sich alle fragen, wie ich das so humorvoll schreiben kann (lacht). Das war für mich ein lehrreicher Effekt. Viele Menschen haben Schwierigkeiten auf Personen mit einer schwierigen Diagnose zu zugehen. Meine KollegInnen erzählten mir jedoch, dass es ihnen aufgrund der humorvollen Nachricht viel einfacher fiel, mir zu begegnen. Auf meine E-Mail erhielt ich sehr viele tolle Rückmeldungen. Zwar kann ich an der Diagnose nichts verändern, aber ich kann meine Haltung dazu verändern.
So entstand schließlich auch die Idee für das Buch. Mir ist bewusst, dass es mir jetzt gerade gut geht, aber bei einer Krebserkrankung weiß man nie, ob die Erkrankung nicht doch wiederkommt – dann gibt es eben einen zweiten Band (lacht). Mit der Haltung nahm ich die Erkrankung an und fing an, einen Blog für Freunde und Familie zu schreiben, aus dem schließlich das Buch wurde.
Erst in der Mitte des Buches beschreibst Du den Moment, als Dir der Gastroenterologe die Diagnose verkündet. Dabei liest man nie von Momenten des Zweifelns – hast Du auch schwierige und weniger humorvolle Zeiten durchlebt?
Dietmar Gebert: Natürlich ging ich nicht ohne Bedenken zur Untersuchung zum Gastroenterologen. Es gab schließlich Vorzeichen, dass sich bei mir etwas verändert hatte. Nach der Darmspiegelung wurde mir gesagt, dass zwar Gewebe entnommen wurde und dies noch analysiert wird, ich aber entspannt bleiben könne. Einen Tag später klingelte das Handy und der Arzt verkündete mir, dass er keine guten Nachrichten für mich hätte – diesen Moment werde ich nie vergessen. Allein diese Ankündigung traf mich völlig überraschend. Ich wusste auch nicht, wie ich damit umgehen sollte, denn er nannte mir nicht direkt die Diagnose, sondern bestellte mich für den nächsten Tag in die Praxis ein. Mir wurde langsam klar, dass es Darmkrebs sein muss. Die Bestätigung erhielt ich einen Tag später. Die nächsten Tage befand ich mich in einer Art Tunnel, aber ich konnte dennoch gut schlafen. Ich hatte keine schlaflosen Nächte (lacht). Um mich machte ich mir keine Gedanken, eher um meine Familie: wie geht es ihnen, wenn ich wochenlang weg bin? Mir war klar, dass ich viele Aspekte nicht selbst in der Hand hatte. Ich musste darauf vertrauen, dass die PflegerInnen und ÄrztInnen mich wieder gesund bekommen. Von da an war mir klar, dass ich – ganz gleich was an Schmerzen und Herausforderungen auf mich zukommen würde – diesen Weg gehen muss und das beste daraus machen würde. Vor der Diagnose hätte ich von mir behauptet, dass ich ein sehr wehleidiger Mensch bin (lacht). Während der Behandlung lernte ich mich neu kennen und entdeckte, dass ich Schmerzen viel besser aushalten kann als ich dachte (lacht).
Du warst schließlich im April 2020 im Krankenhaus – eine Zeit, in der die Corona-Pandemie auch in Deutschland massive Auswirkungen hatte. Wie hat sich die Pandemie auf Dein Leben und Deine Genesung ausgewirkt?
Dietmar Gebert: Im ersten Moment war ich natürlich traurig darüber, dass meine Liebsten mich im Krankenhaus nicht besuchen durften. Aber auch das konnte ich schnell akzeptieren, denn die Situation konnte ich nicht verändern. Im Nachhinein muss ich ehrlich sagen, dass es für mich gar nicht schlecht war, eine Woche im Krankenhaus ohne ständigen Besuch zu sein. Besuch kann auch eine Belastung darstellen, aber so durfte ich krank sein und musste mich nur um mich selbst kümmern. Eigentlich konnte mir gar nichts Besseres passieren, als ausgerechnet in dieser Zeit die Erkrankung zu haben. Die Wochen vor meiner Diagnose war ich im Unternehmen intensiv mit dem Thema ‚Kurzarbeit‘ beschäftigt. In den 23 Jahren, in denen ich in der Personalabteilung arbeite, hatten wir noch nie das Thema Kurzarbeit. Daher arbeitete ich mich als ‚Kurzarbeitsbeauftragter‘ in die Thematik ein. Plötzlich war ich aber von einem auf den nächsten Tag weg und eine Kollegin übernahm die Thematik. Eine Woche nach der Diagnosestellung bei mir begann die Kurzarbeit im Außendienst – zumindest für zwei Monate. Anfang Juni 2020 kam ich an meinen Arbeitsplatz zurück – viele entfernte KollegInnen hatten mein Fehlen gar nicht mit bekommen, da sie in dieser Zeit auf Grund der drohenden Kurzarbeit ihre Zeitkonten abbauen mussten und daher gar nicht im Unternehmen waren. Ich verpasste also kaum etwas – positiv betrachtet war es die beste Zeit, in der ich im Krankenhaus sein konnte.
Unabhängig von meiner Erkrankung jammere ich auch nicht über die Pandemie, denn auch im Jahr 2021 durfte ich wieder viele spannende Dinge erleben: wir haben sehr viel gepuzzelt (insgesamt 27.000 Teile) und wanderten unglaublich viel – das war super!
Viele Situationen, die Du im Buch beschreibst, sind mir als Medizinstudentin natürlich bekannt. Welche Kritik an der Medizin versteckt sich denn im Buch?
Dietmar Gebert: Manches wird von mir natürlich übersteigert dargestellt – man kann also nicht alles eins-zu-eins übertragen. Aber Prof. Schuler, der das Vorwort schrieb, möchte das Buch seinem medizinischen Personal zur Verfügung stellen, damit seine KollegInnen auch die Patientensicht wahrnehmen. Als MedizinerInnen sieht man am Ende oftmals nur die Erkrankung und nicht den Menschen. Als Personaler will ich nicht nur die Arbeitskraft sehen, sondern den Menschen dahinter. Vielleicht müssen sich ÄrztInnen mehr von ihren PatientInnen abgrenzen, um sich nicht selbst zu belasten. Es täte aber dem Gesundheitswesen in Deutschland gut, wenn der Mensch noch gesehen würde und nicht nur ‚der Darm‘. Beim Thema Kommunikation gibt es sicherlich gute Beispiele, aber auch andere (lacht). Das Buch soll dennoch keine Kritik sein – ich war im Krankenhaus sehr gut aufgehoben. Der einzige Punkt, den ich kritisierte, war die Entlassung. Die Erkrankung verändert den Alltag, was z. B. die Verdauung anbelangt.
Da hätte ich mir gewünscht, dass man mich auf das, was kommen kann, vorbereitet. Ich habe das Gefühl, dass man sich im Krankenhaus nur auf die Umsetzung fokussiert und sobald keine Komplikationen auftreten, wird sich nicht mehr für den Patient interessiert. Ich hatte dazu leider keinen Ansprechpartner. In Summe war ich aber sehr zufrieden.
Das Thema Kommunikation wird mittlerweile verstärkt auch in Modellstudiengängen der Medizin aufgegriffen. Hast Du ein konkretes Beispiel für erlebte Kommunikation?
Dietmar Gebert: Der, der das Gespräch mit mir führt, sitzt mit dem Rücken zu mir, da der Bildschirm an der Wand hängt. Das geht für mich gar nicht. Wenn ich ein Gespräch führe und Fragen stelle, dann muss ich eine andere Gesprächssituation schaffen. Ich wende mich dem Menschen zu. Auch ein Krankenhaus hat andere Möglichkeiten, sodass das Aufklärungsgespräch nicht im Ultraschallraum geführt werden muss. Dann fühlt man sich wahr- und ernstgenommen.
Du hast die Veränderungen in Deinem Leben schon angesprochen – was hat sich konkret seit April 2020 verändert?
Dietmar Gebert: Ich musste mich mit mir auseinandersetzen. Aus meiner Sicht ernährte ich mich vorher sehr ungesund und stellte mich nach der Operation vollständig um. Mein gesamtes Ernährungsverhalten habe ich verändert. Auch zuvor machte ich schon Sport, ich bewege mich heute aber auch noch viel. Ich führe heute weitgehend ein ähnliches Leben wie zuvor, allerdings ist das Thema ‚Verdauung‘ präsenter. Es gibt permanente Veränderungen: es gibt immer noch Tage, an denen ich ohne Durchfall siebenmal auf Toilette gehe. Für mich ist das nicht belastend; es wäre erst belastend, wenn ich keinen Ort hätte, an dem ich auf Toilette gehen könnte. Das Leben hat sich nicht groß verändert. Vielleicht bin ich mir nach der Krebsdiagnose der Endlichkeit des Lebens bewusster als zuvor. Mit Mitte 50 denkt man eigentlich noch nicht über den Tod nach – heute rede ich mit meiner Frau anders darüber. Für uns geht es eher darum, im Jetzt zu leben. Ich bin eher ein planvoller Mensch und lebe dabei manchmal zu wenig im Jetzt – das ist sicherlich besser geworden, aber noch lange nicht perfekt (lacht).
Die wenigsten Menschen setzen sich zeitlebens so intensiv mit dem Organ Darm auseinander, wie Du es getan hast. Was durftest Du über dieses Organ lernen?
Dietmar Gebert: Das Erstaunlichste war für mich, dass der Darm quasi ein eigenes Gehirn hat. Ich dachte, dass der Darm ein Teil des Verdauungssystems ist und irgendwann wird das Essen eben ausgeschieden. Mit den vielfältigen Aufgaben und Funktionsweisen hätte ich nicht gerechnet. Seit vielen Jahren lese ich regelmäßig den „Focus“ und las auch das Buch „Darm mit Charme“, aber habe es für mich nie angenommen. Im Nachhinein wurde mir erst bewusst, wie sehr man sich mit seiner Verdauung auseinandersetzen sollte. Am nachhaltigsten sind aufgrund meiner Recherchen die Flohsamen in meinem Leben geblieben: jeden Morgen und jeden Abend einen halben Löffel. Ich glaube, dass mir das gut tut (lacht).
War es denn für Dich förderlich so viel über den Darm und die Erkrankung zu wissen?
Dietmar Gebert: Als ich die Diagnose bekam, suchte ich nicht direkt im Internet danach. Ich sah mir auch vor der Operation keine Videos von einer solchen Operation an (lacht). Ich wollte unvoreingenommen starten, ohne weitere Ängste zu entwickeln. Manchmal ist es besser, wenn man nicht zu viel weiß (lacht). Daher beschäftigte ich mich weniger mit der Erkrankung als mit dem Organ. Das wiederum half mir; erst als ich selbst las, was unsere Ernährung mit dem Darm macht, war ich bereit, Veränderungen vorzunehmen: kein rotes Fleisch zu essen, Dinkelmehl zu bevorzugen und den Zuckerkonsum zu reduzieren. Zuvor trank ich viele süße Säfte und Limonaden. Die Leitfrage war für mich daher, ob ich die ganze Prozedur erneut brauche – muss nicht sein, aber wenn es kommen sollte, dann werde ich auch damit umgehen können. Aber vielleicht kann ich meinem Darm mit einer veränderten Ernährung etwas Gutes tun.
Das heißt, dass es in der Adventszeit für Dich keine Kekse mehr gab?
Dietmar Gebert: Eines meines großen Hobbys ist das Backen: ich habe 36 Sorten Weihnachtskekse – 25 Kilo – gebacken. Während ich früher die Hälfte selbst aß, wurden nun 90 Prozent verschenkt (lacht). Ich genieße nun in Maßen (lacht).
Die meisten Kekse gingen sicherlich an Freunde. Welche Rolle spielten und spielen Deine Freunde und Familie auf Deiner Reise?
Dietmar Gebert: Eine ganz wesentliche Rolle. In einer solchen Krankheitssituation spürte ich, wie ich getragen wurde. Was bedeutet es ‚getragen zu werden‘? Zu wissen, dass viele Menschen an mich denken, empfand ich als große Unterstützung. Die vielfältigen Bekundungen waren großartig. Mein Freund Ludger Hoffkamp – ein (Klinik)Clown und Zauberer – bereitete mir eine digitale Zaubershow. Zu wissen, wer alles eine Kerze angezündet hat. Die ArbeitskollegInnen, die zahlreiche persönliche Grußbotschaften sendeten. Da wurde für mich sichtbar, was ich vorher gesät hatte. Du musst immer bereit sein, mehr zu geben als man nehme möchte – so funktioniert ein Team. Die Familie war immer da. Allein das Dasein trug mich durch die Zeit. Ich habe viele großartige Freunde.
Schon am Tag nach der Diagnose war ich gerade draußen und putzte das Auto, als ein Blumenkurier mir einen Blumenstrauß vorbeibrachte. Das war nur eine von den vielen kleinen Gesten von Freunden und das trug mich durch die Zeit.
Schwierig wird es erst, wenn man überall alleine durchkommen muss. Natürlich war es schwierig, als meine Frau mich zum Krankenhaus brachte und mich verabschieden musste. Auch wenn ich im Krankenhaus die Zeit alleine erlebte, ändert das nichts daran, dass ich von vielen Menschen getragen wurde.
Wie gelingt es Dir, derart humorvoll mit einer schwierigen Erkrankung und einer vermeintlich schwierigen Zeit umzugehen? Hast Du für uns das Patentrezept für Humor?
Dietmar Gebert: Man kann immer alles von zwei Seiten betrachten: man kann immer das Negative sehen, man kann aber immer auch die positive Seite sehen. Ich glaube, dass Humor die Kraft gibt, um schwierige Zeiten zu überstehen. Natürlich kommt das nicht von heute auf morgen, sondern durch ein jahrelanges Wachsen. Das braucht ein stabiles Fundament, das durch das Umfeld wie die Partnerin, die Kinder und Freunde geschaffen wird. Wenn ich Menschen in Vorstellungsgesprächen einstelle, versuche ich auch unsere Werte zu transportieren: ein humorvoller Umgang miteinander ist ein wesentlicher Aspekt. Andere Menschen zum Lachen zu bringen, ist das schönste, was einem passieren kann (lacht).
Wäre das auch ein Tipp für alle Menschen, die im Krankenhaus arbeiten: ihre PatientInnen zum Lachen zu bringe?
Dietmar Gebert: Ich weiß gar nicht, ob ich in der Position bin, Tipps zu verteilen. Jede und jeder muss für sich selbst definieren, wie man z. B. als ÄrztIn auftreten möchte. Was ist Dir in Deinem Beruf wichtig? Möchtest Du „nur“ heilen? Oder geht es Dir auch um den Menschen als ganzes? Genau das wäre mein Ansatz – ich sehe den Menschen immer ganzheitlich. Es wäre sicherlich sinnvoll, den Menschen als Menschen wahrzunehmen. Wenn nur vom ‚Darmkrebs im Zimmer 207‘ gesprochen wird, verliert man den Blick für das Individuum. Tatsächlich waren es eher die StudentInnen, die beim Blutabnehmen mit mir ausführlich sprachen. Immer wieder versuchte ich einem Arzt zu erzählen, dass ich ein Buch schreiben würde – er hat nie weiter nachgefragt.
Wenn man im Krankenhaus oder im Gesundheitswesen allgemein arbeitet, muss man ein Gefühl für Menschen entwickeln. Jeder Person tut etwas anderes auf dem Weg zur Heilung gut. Der eine braucht eine klare Ansage, der andere benötigt mehr Trost. Im Raum vor dem Operationsaal flachste der Pfleger mit mir herum – das tat mir unglaublich gut.
In jeder Zeile des Buches klingt Deine humorvolle und optimistische Haltung heraus. Ist das die zentrale Botschaft?
Dietmar Gebert: Ich frage mich immer wieder, für wen das Buch hilfreich sein kann. Kann ich das Buch jemandem empfehlen, der nahezu sicher weiß, dass er eine Krebsdiagnose nicht überleben wird? Da es mir gut geht, könnte es den Anschein haben, dass ich leicht reden kann. Aber das Buch basiert auf meinem Blog, den ich jeden Tag verfasste und von Tag zu Tag nicht wusste, wie es weitergeht. Es war an mir, eine positive Haltung einzunehmen. Ja, ich kann schon sagen, dass dies meine zentrale Botschaft ist. Ganz gleich wie die Situation sein mag, Deine Haltung dazu kannst nur du selbst beeinflussen. Es ist nie zu spät noch zu lachen. Eines ist klar, wir werden irgendwann alle gehen. Entscheidend wird sein, was wir mit der Zeit davor gemacht haben.
Ein hervorragendes Plädoyer für eine positive Haltung – herzlichen Dank für das inspirierende Gespräch!
Das Buch „Tumor mit Humor“ ist im HCD-Verlag erschienen. Mehr von Dietmar Gebert lest ihr unter www.hasteworte.com
Das Interview führte Katharina Tscheu.